Fortlaufende Diagnostik und Therapie des kraniomandibulären und muskuloskelettalen Systems (TMS/MSS)
Autoren: Dr. Werner Schupp,Dr. Julia Steinmaier (geb. Funke), Dr. Wolfgang Boisserée
Einleitung
Die Ruheposition des Kiefergelenks (TMJ), auch als „zentrische Relation“ bekannt, ist ein kontrovers diskutiertes Konzept, für das es bislang keine eindeutige Definition gibt. Nach aktuellem Verständnis befinden sich die Kondylen beidseitig in der anterosuperioren Position über dem Gelenkhöcker, während die Bänder der Kapsel maximal entspannt sind. In dieser Ruheposition ist die Muskelaktivität auf einem minimalen Niveau. Da diese Position von vielen Faktoren abhängt, ist eine exakte Definition schwierig. Besonders in pathologischen Situationen gestaltet sich die Bestimmung der Ruheposition als herausfordernd. Eine reversible Therapie mittels Aufbissschiene kann jedoch helfen, eine initiale Position für die Behandlung festzulegen.
Diskussion zur zentrischen Relation des Kiefergelenks
Es gibt keine universell gültige Definition für die zentrische Relation. Für eine erfolgreiche Behandlung ist jedoch eine klare Definition dieser physiologischen Kieferrelation notwendig. Die Position des Kondylus kann sich innerhalb eines kleinen Bereichs täglich verändern, beeinflusst durch Muskelspannung, Körperhaltung und psychologische Faktoren. Daher sollte das Hauptaugenmerk in der Praxis darauf liegen, eine individuell passende Kondylenposition zu finden.
Die Ruheposition des Kiefergelenks
Trotz intensiver Forschung gibt es nur wenige gesicherte Erkenntnisse zur dreidimensionalen physiologischen Position des Kondylus in der Fossa. Frühere Methoden analysierten diese Position meist anhand sagittaler Röntgenbilder. Dabei wurde die retrale Kontaktposition (RCP) oft fälschlicherweise mit der zentrischen Lage des Kiefergelenks gleichgesetzt. Dies führte häufig zu Fehlbehandlungen wie dem Einschleifen der Zähne, wodurch Gelenkstrukturen komprimiert und beschädigt wurden. Nach heutigem Wissen liegt die ideale Kondylenposition in der anterosuperioren Position in Relation zur Eminentia articularis.
Bestimmung der Kieferrelation
Es gibt verschiedene Methoden zur Erfassung der Kieferrelation, aber keine hat sich als einzig zuverlässig erwiesen. Auch digitale Messverfahren haben noch nicht die notwendige Präzision erreicht. Eine gängige Methode ist die Herstellung einer Kieferrelationsregistrierung mit Wachsplatten. Dabei wird der Patient gebeten, in eine erwärmte Wachsplatte zu beißen, während der Behandler kontrolliert, ob die Okklusion gleichmäßig ist oder eine Verschiebung auftritt.
Therapeutische Konstruktionsbissnahme
Die therapeutische Konstruktionsbissnahme hilft, die Ruheposition des Kiefergelenks zu bestimmen, insbesondere bei Patienten mit pathologisch veränderten Gelenken. Eine genaue Palpation der Kondylen am äußeren Gehörgang ermöglicht eine Beurteilung der Gewebesituation, der Bewegungsmuster und der Gelenksymmetrie. Der Therapeut mobilisiert das Kiefergelenk sanft und führt den Patienten in eine entspannte Position. Dabei sollte eine ideale Überbiss-Relation angestrebt werden, die später in eine Schiene oder eine definitive Therapie übernommen werden kann.
Modellmontage für die Okklusionsanalyse und Herstellung einer COPA
Zur genauen Analyse der Okklusion erfolgt eine Modellmontage mit Gesichtsbogenübertragung. Nach der Montage des Oberkiefermodells wird die therapeutische Bissregistrierung auf das Unterkiefermodell übertragen. Diese präzise Erfassung ist essenziell für die Diagnostik und die Herstellung einer okklusalen Schiene.
Klinische Anwendung: Patientenfall mit schwerer CMD
Ein Patient mit starken Rückenschmerzen und einer anterioren Diskusverlagerung des Kiefergelenks wurde mithilfe einer Craniomandibulären Orthopädischen Positionierungsapparatur (COPA) behandelt. Die Modellanalyse zeigte eine instabile Okklusion mit ausschließlich frontalen Kontakten und einem offenen Biss im Seitenzahnbereich. Nach fünf Wochen Behandlung mit der COPA und begleitender Physiotherapie war der Patient schmerzfrei.
Fazit
Die Diagnostik und Therapie von CMD-Patienten erfordert eine präzise Erfassung der Kieferrelation und eine ganzheitliche Betrachtung des muskuloskelettalen Systems. Die Kombination aus manueller Therapie, Schienentherapie und moderner Kieferorthopädie ermöglicht eine effektive Behandlung. Die therapeutisch ermittelte Kondylenposition kann durch Aligner-Therapie oder andere kieferorthopädische Maßnahmen stabilisiert werden.
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Quelle:
Schupp, W., Funke, J., & Boisserée, W. (2018). Continuing diagnostics and therapy of the temporomandibular and musculoskeletal system (TMS/MSS): The rest position of the temporomandibular joint (TMJ) and the therapeutic construction bite vs. the centric bite. Journal of Aligner Orthodontics, 2(4), 267–281.