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Test: Schnuller, Latex

Kieferorthopaede Koeln - JUST KFO - Dr. Steinmaier + Kollegen - Myofunktionelle-Therapie

„Test: Schnuller, Latex
Kein modernes Phänomen“
erschienen in
Ratgeber Kleinkinder 5, Ausgabe Mai 2003

Test: Schnuller, Latex

Kein modernes Phänomen

Schnuller erleichtern das Elternleben. Ist das Baby sonst kaum zu beruhigen, mit einem Nuckel im Mund hört das Schreien bald auf. Das wussten schon die alten Ägypter.

Auf manchen Ultraschallbildern ist es zu erkennen: Das Ungeborene lutscht am Daumen. Bereits im Mutterleib haben Babys das Bedürfnis zu saugen. Und das lässt nicht nach, wenn das Kind auf der Welt ist. Ein zufrieden nuckelndes Baby ist ruhiger, entspannter und schläft leichter ein. Das ist inzwischen sogar wissenschaftlich untersucht: Wenn das Baby saugt, bildet sein Körper vermehrt Hormone. Die regeln einerseits die Verdauung und wirken andererseits beruhigend und schlaffördernd.

Wer seinem Kind nicht dauernd die Brust geben will und nichts vom Daumen im Mund hält, der greift eher früher als später zum Schnuller. Die bunten Gummistöpsel, wie wir sie kennen, gibt es erst seit dem vorigen Jahrhundert. Aber die Vorläufer des Schnullers reichen weit in die Antike zurück. Schon vor über 4 500 Jahren gab es in Ägypten Saugtöpfe, später wurden daraus kleine mit Honig gefüllte Tonfiguren, die den Kindern um den Hals gehängt wurden. Solche Saugtierchen gab es bis ins Mittelalter auch in Europa.

Kinder- und Zahnärzte würden heute darüber und auch über die weitere Entwicklung die Hände über dem Kopf zusammenschlagen. Lutschbeutel, die mit einem Mus aus Mehl, Brot und Honig gefüllt waren, lösten die Tontierchen ab. Wenn die Kleinen schlafen sollten, weil die Erwachsenen zum Beispiel in die Ernte gingen und sich nicht um sie kümmern konnten, kam auch schon mal ein Tropfen Alkohol mit rein.

Im Vergleich dazu sind die heutigen Schnuller harmlose Begleiter. Sie bestehen entweder aus Silikon oder aus Latex. Das durchsichtige Silikon ist weniger elastisch als Latex und reißt sehr schnell, wenn sich erst mal ein Riss gebildet hat. Dann können auch Stücke abbrechen und vom Kind verschluckt werden. Hat das Kind schon Zähne und kaut damit auf dem Schnuller herum, sind Latex-Nuckel besser. Das braune Material ist wesentlich reißfester. Durch Sonneneinstrahlung und häufiges Auskochen wird das Naturmaterial aber porös.

dann nicht tropfenförmig, sondern an beiden Seiten abgeflacht. Meist gibt es verschiedene Größen – kleine Schnuller für Neugeborene, größere für Krabbel- und Kleinkinder. Allzu lange sollte der Nuckel nicht genutzt werden: Schon mit etwa einem Jahr kann man die Kinder daran gewöhnen, dass es den Schnulli nur noch abends und zum Schlafen gibt. Mit etwa drei Jahren sollte der geliebte Begleiter dann spätestens aufgegeben werden.

Latexschnuller

Als ÖKO-TEST vor einigen Jahren in fast allen Latexschnullern und -saugern eine Chemikalie namens 2-Mercaptobenzothiazol (MBT) fand, die Allergien auslöst und als krebsverdächtig gilt, war die Aufregung unter den Eltern verständlicherweise groß. Die schlechte Nachricht verbreitete sich in Windeseile. Etliche Eltern beschwerten sich vehement bei den Herstellern. Andere warfen die alten Nuckel einfach in den Mülleimer und verordneten ihren Kindern eine rigorose Schnuller-Entziehungskur. Die wenigen empfehlenswerten Schnuller und Sauger aus Latex waren binnen weniger Tage ausverkauft.

Auf diesen gewaltigen Sturm der Entrüstung haben die Hersteller schnell reagiert und die Produktion umgestellt. Wir haben neun Latexschnuller auf diesen und weitere Schadstoffe untersuchen lassen.

Das Testergebnis

Alle neun Latexschnuller erhalten die Note „sehr gut“.

Nicht enthalten sind in den sehr guten Produkten gesundheitlich bedenkliche Inhaltsstoffe wie 2-Mercaptobenzothiazol oder zinnorganische Verbindungen. Auch unnötige Inhaltsstoffe wie PVC/ PVDC/ chlorierte Kunststoffe fanden sich nicht in den Saugern. In einer umweltbelastenden Verpackung steckte keiner der Schnuller.

Zeit für die Schnullerfee

Bei Viktor passierte es auf einer Wanderung: Er warf den einst so unentbehrlichen Schnuller in einen reißenden Bergfluß, der ihn auf Nimmerwiedersehen davon trug. „Ich bin ja schon groß“, sagt der Dreijährige selbstbewusst. Laura brauchte ein wenig mehr Spektakel. Mit Papas Hilfe schoss sie ihren Schnullervorrat mit den Silvesterraketen in die Luft. Auf und davon. Mit dem klaren Abschied von den Nuckeln kommen die meisten Kinder gut zurecht – vorausgesetzt, sie sind damit einverstanden. Die Schnuller einfach verschwinden zu lassen, klappt in der Regel nicht. Denn schon Zweijährige wissen heute, dass die Regale im nächsten Drogeriemarkt voll damit sind.

Zwei- bis Dreijährige lassen sich aber meist überzeugen, wenn man sie bei ihrem sozialen Gewissen packt. Die Geschichte von der Schnullerfee, die bei den „großen“ Kindern die Schnuller einsammelt und sie armen kleinen Menschen- oder auch Tierkindern bringt, die sie dringend brauchen, zieht bei den meisten Kindern und lässt sie über sich hinauswachsen. Wer dann noch hinzufügt, dass die Schnullerfee im Gegenzug auch ein kleines Geschenk vor die Tür legt, wenn sie dort eine Tüte mit Schnullern findet, hat schon gewonnen.

Nach der ersten Nacht ohne Schnuller ist das Schwerste überstanden. Das Kind fühlt sich groß und ist stolz auf sich. Nach einigen Tagen ist es dann endgültig geschafft. Sollte das Kind zwischendurch nach dem alten Nuckel verlangen, hilft der Vorschlag, das Geschenk wieder gegen den Schnuller einzutauschen. Die wenigsten Kinder erklären sich dazu bereit.

Sind die Kinder jünger als zwei Jahre, verstehen sie die Geschichte von der Schnullerfee noch nicht. Wer den Nuckel schon so früh los werden will, muss ihn gezielt unattraktiv machen. Wird beispielsweise ein Loch in den Sauger gestochen, entweicht die Luft, Nuckeln macht keinen Spaß mehr. Auch die Schere ist ein beliebtes Werkzeug: Alle zwei Tage wird der Schnuller ein wenig kürzer. Das sollte aber wegen der Materialeigenschaften nur mit Latexsaugern gemacht werden. Der kaputte Schnuller landet dann oft freiweillig im Müll.

Tipps :

Im zweiten Lebensjahr kann man die Kinder daran gewöhnen, dass es den Schnuller tagsüber nicht mehr gibt. Abends zum Einschlafen darf der Nuckel noch genommen werden.

Den Schnullervorrat nach und nach reduzieren, damit das Kind nicht das Gefühl bekommt, immer noch Reserven zu haben.

Interview

Schnuller ist besser als Daumen

Der einzige Vorteil des Daumenlutschens ist, dass der Finger nie verloren geht. Allerdings lässt sich das Nuckeln am Daumen viel schlechter abgewöhnen. Dr. Werner Schupp vom Berufsverband der Deutschen Kieferorthopäden weiß aber einige Tipps für Eltern von Daumenlutschern.

ÖKO-TEST: Was ist schlimmer, das Nuckeln am Schnuller oder das Daumenlutschen?
Schupp: Auf jeden Fall das Lutschen am Daumen, weil es sich wesentlich schlechter abgewöhnen lässt. Je länger das Daumenlutschen anhält, desto größer werden die Probleme: Zum einen entwickelt sich der Oberkiefer nicht richtig in die Breite und bleibt zu schmal. Zum anderen wird der Unterkiefer durch den Daumen zurückgeschoben und bleibt im Wachstum zurück. Außerdem entsteht der sogenannte offene Biss, das heißt, die oberen Schneidezähne stehen zu weit vor und überlagern sich nicht mit den unteren.
ÖKO-TEST: Lässt sich das später noch ausgleichen?
Schupp: Ja, aber ich empfehle dringend, möglichst früh mit den Kindern zu einem Fachzahnarzt für Kieferorthopädie zu gehen, schon im vierten oder fünften Lebensjahr. Dann kann man schon kleinere Maßnahmen einleiten. Eine Kieferregulierung funktioniert nur während der Wachstumsphase, und die ist mit zwölf bis 14 Jahren abgeschlossen.
ÖKO-TEST: Kann man Daumenlutschern einfach den Schnuller geben?
Schupp: Das funktioniert meist nicht. Richtigen Daumenlutschern schmeckt der Schnuller in der Regel nicht. Da ist es besser, man versucht direkt das Lutschen abzugewöhnen.
ÖKO-TEST: Aber wie?
Schupp: Auf keinen Fall mit Zwang wie die Hand verbinden oder eklig schmeckende Salben auftragen. Besser ist es, die Kinder zu motivieren. Bei kleineren Kindern funktioniert das gut mit einem Lutschkalender: An Tagen, wo nicht am Daumen gelutscht wird, darf sich das Kind eine Sonne malen. Wenn es mal nicht geklappt hat, gibt es eine Wolke. Eltern können natürlich auch mit kleinen Belohnungen einen Anreiz schaffen. Oder man malt ein Gesicht auf den Daumen und erzählt dazu die Geschichte, wie sich der kleine Daumenkönig fühlt, wenn er in der dunklen und feuchten Mundhöhle verschwindet und wie froh er ist, wenn er da wieder raus kommt.

Schnuller nicht ablecken

Schnell ist der Schnuller mal auf dem Boden gelandet. Bevor er wieder in Babys Mund gesteckt wird, schlecken viele Eltern den Nuckel selbst ab, um so mögliche Keime oder Schmutz zu beseitigen. Doch durch den Speichel können Karieserreger auf das Kind übertragen werden. Deshalb den Nuckel lieber unter fließendem Wasser abspülen oder einen Ersatzschnuller geben.

Stimmt´s oder stimmt´s nicht?

Behauptung: Schnullern begünstigt Zahnfehlstellungen und Sprachstörungen.
Stimmt! Bei Kindern, die lange und häufig am Schnuller nuckeln, kommen Zahnfehlstellungen wie Überbiss, offener Biss oder vorstehende Eckzähne häufiger vor. Dadurch kann es auch zu falschen Aussprachen, vor allem beim S und beim Z, kommen. Bis solche Veränderungen entstehen, dauert es aber Jahre. Wer kiefergerechte Schnuller nimmt und seinem Kind bis zum 3. Geburtstag das Schnullern abgewöhnt, braucht keine Angst vor schweren Zahnfehlstellungen zu haben.

Behauptung: Wird der Schnuller schon in den ersten Lebenswochen gegeben, beeinträchtigt das Stillerfolg und -dauer.
Stimmt nicht! Bei einer amerikanischen Studie bestätigte sich diese Theorie nicht. Ob die Kinder schon vor der sechsten Lebenswoche einen Schnuller bekamen oder nicht, hatte keinen Einfluss auf die Stilldauer. 45 Prozent der Schnullerkinder wurden auch noch mit sechs Monaten gestillt, bei den Babys ohne Schnuller waren es 40 Prozent. Erst nach insgesamt neun Monaten verschob sich die Bilanz zugunsten der nicht-schnullernden-Kinder.

Behauptung: Schnullerkinder haben häufiger Mittelohrentzündungen.
Stimmt! Diesen Zusammenhang stellte eine finnische Studie fest. Kinder im Alter zwischen sechs und 18 Monaten, die den Schnuller nur zum Einschlafen oder gar nicht brauchten, erkrankten deutlich seltener an einer Mittelohrentzündung als ihre Altersgenossen, die den Nuckel auch tagsüber häufig benutzten.

Behauptung: Schnullerkinder sterben nicht so häufig am plötzlichen Säuglingstod.
Stimmt wahrscheinlich! Ganz einig sind sich die Wissenschaftler nicht. Holländische und skandinavische Studien zeigen aber ein deutlich geringeres Risiko, wenn das Kind schnullert. Aber: Den Nuckel nie ablecken! Die Heliobacter-Bakterien im Speichel von Erwachsenen sind eventuell auch ein Risiko.

©2003 by ÖKO-TEST Verlag GmbH, Frankfurt

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