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Invisalign: Distalbewegung der Molaren

Nach vorzeitigem Verlust von Milchmolaren bieten sich verschiedene Möglichkeiten an, aufgewanderte Molaren aktiv nach distal zu bewegen. Mit dem Invisalign-System steht nunmehr ein weiteres, bequemes, schnelles und hygienisches Verfahren zur Verfügung, mit dem 1. Molaren nach distal bewegt, aufgerichtet und teilweise derotiert werden können. Durch die annähernd kontinuierlichen Kräfte, die ausschließlich die oberen Molaren bewegen sollen und alle übrigen Zähne eines Zahnbogens als Verankerungseinheit nutzen, ist eine gleichzeitige Distalführung beider 1. Molaren möglich. Nach einer kurzen aktiven Behandlung muss allerdings bis zum Durchbruch der bleibenden Zähne eine Retention erfolgen, die das dentoalveoläre Wachstum nicht hemmt.

Indizes: Invisalign, Stützzoneneinbruch, vorzeitiger Milchzahnverlust, Lückenhalter, Molarendistalisation

Neumann, I.
Schupp, W.
Heine, G. erschienen in
Kieferorthopädie 2/2004, Seite 133 – 137

Einleitung

Der vorzeitige Verlust 2. Milchmolaren infolge von Karies, Extraktionen oder unterminierenden Resorptionen hat fast immer einen Einbruch der Stützzone durch Mesialwanderung und -kippung der 1. Molaren zur Folge. Das verminderte Platzangebot führt zu mechanischen Durchbruchsbehinderungen. Die Folge sind Retentionen, oder die bleibenden Zähne brechen außerhalb der Zahnreihe durch — sei es achsengerecht oder gekippt. Je nach Umfang des Platzverlustes und dem Dentitionsalter des betroffenen Patienten können später Zahnextraktionen erforderlich werden. Um deratige Extraktionen zu vermeiden, ist es Ziel der kieferorthopädischen Prävention, Lücken innerhalb der Stützzone möglichst offen zu halten oder verengte Lücken wieder zu öffnen.

Als Lückenhalter werden herausnehmbare Geräte oder festsitzende Apparaturen verwendet. Zur aktiven Lückenöffnung kommen zum Beispiel Platten mit aktiven Elementen sowie speziell zur Distalbewegung und Aufrichtung oberer 1. Molaren entwickelte Pendulum-Apparaturen und modifizierte Nance-Bögen zum Einsatz. Grundsätzlich schien bisher eine körperliche Distalbewegung von Molaren nur mit festsitzenden Apparaturen möglich zu sein.

Mit dem seit 1997 verfügbaren Invisalign-System gibt es nun auch herausnehmbare Geräte, die es möglich machen, Seitenzähne körperlich nach distal zu bewegen, um einen Distalbiss zu korrigieren oder um Platz für eine eng stehende Front zu gewinnen.

Vorteilhaft ist dabei vor allem, dass mit Hilfe von 3D-Computertechnologie ausgehend vom Ist-Zustand das gewünschte Behandlungsziel dargestellt und in kleine, exakt berechnete Bewegungsphasen (ClinCheck) unterteilt wird, die die Basis für die nachfolgende Anfertigung der entsprechenden Aligner sind. Allerdings waren bisher Invisalign-Behandlungen währen des Kieferwachstums- und damit auch während der Wechselgebissphase – kontraindiziert.

Patientenvorstellung

Durch vorzeitige Extraktion der Zähne 55, 65 und 75 im frühen Wechselgebiss kam es bei dem fast 9-jährigen Patienten zu einer erheblichen Aufwanderung und Mesialrotation der 1.Molaren im Oberkiefer und zu einer leichten Mesialkippung des Zahnes 36 (Abb. 1 a bis c und 2). Um eine Prämolarenextraktion zu vermeiden, wurde im Juli 2002 im Oberkiefer eine Quadhelix eingegliedert, mit der die 1. Molaren derotiert werden sollten; im Unterkiefer sollte der Zahn 36 mit einer Distalschraube aufgerichtet werden.

Abb.1 a bis c Anfangsbefund (Juli 2002): Wechselgebiss nach vorzeitigem Verlust der Zähne 55, 65 und 75. Besonders nach Oberkiefer sind die 1. Molaren deutlich rotiert und haben die Stüzzone eingengt.

Abb. 2 Panoramaschichtaufnahme vom Anfang der Behandlung. Die oberen 1. Molaren sind — nach vorzeitigem Verlust der Zähne 55, 65 und 75 — deutlich nach mesial gekippt und haben den Platz für die 2. Prämolaren so weit eingeengt, dass diese nicht durchbrechen können.

Im Januar 2003 war zwar eine ausreichende Derotation der oberen 1. Molaren erreicht, aber dennoch fehlte Platz, um die Prämolaren korrekt einordnen zu können (Abb. 3 a bis c). Daher wurde die vorhandene Quadhelix entfernt und eine Weiterbehandlung im Oberkiefer mit dem Invisalign-System eingeleitet. Das OPG zeigte zu diesem Zeitpunkt, dass die Zähne 15 und 25 koronal noch mit Knochen bedeckt waren und durch die Mesialkippung der 1. Molaren im Durchbruch behindert wurden (Abb. 4).

Bis zum Eingliedern seines ersten Aligners trug der Patient nachts im Oberkiefer eine Imprelon-Schiene zur Retention. Nach 2 1/2 Monaten wurde die aktive Behandlung im Unterkiefer (Aufrichtung des Zahnes 36 mittels aktiver Platte) beendet. Nun wurde dasselbe Gerät nachts zur Retention weiter getragen. Die Distalführung und Aufrichtung der 1. Molaren im Oberkiefer erfolgte schrittweise mit 12 Alignern (Abb. 5 a und b); sie war nach 6 Monaten abgeschlossen.

Auf der rechten Seite vergrößerte sich die Stützzone von anfänglich 18,0 mm über 19,0 mm (nach Quadhelix) auf 21,0 mm (nach Invisalign) und links von 17,5 mm über 18,0 mm auf 20,0 mm; das heißt, der Platzgewinn betrug rechts insgesamt 3,0 mm und links 2,5 mm (Abb. 6) Gleichzeitig nahm die Zahnbogenbreite rechts um 3,0 mm und links um 2,5 mm zu.

Als Platzhalter wurden an den Bukkalflächen der Zähne 16 und 54 sowie 26 und 64 Drahtretainer aus 16 x 22 Stahldraht mir Concise befestigt (Abb. 7 a bis c). Die Wurzeln der Zähne 54 und 64 waren zu diesem Zeitpunkt bereits teilweise resorbiert (Abb. 8), während die Zähne selbst klinisch noch fest waren. Die Platzhalter sollen erst entfernt werden, wenn die Milchmolaren gelockert sind.

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