Autoren: Dr. Werner Schupp,Dr. Julia Steinmaier (geb. Funke), Dr. Julia Haubrich, Dr. Wolfgang Boisserée
Einleitung
Okklusionsschienen sind ein weit verbreitetes therapeutisches Mittel zur Behandlung von craniomandibulären Dysfunktionen (CMD). Die Kombination aus Schienentherapie und Aligner-Orthodontie bietet eine komfortable und nahezu unsichtbare Behandlungsoption. Diese Methode stellt ein leistungsfähiges Instrument für die orthodontische Therapie von CMD-Patienten dar. Entscheidend für den Therapieerfolg sind detaillierte Kenntnisse über das Kiefergelenk, CMD sowie die Anwendung herausnehmbarer Schienen. Durch eine zweiphasige Behandlung – bestehend aus Schiene und Alignern – kann die Okklusionsschienentherapie in eine dauerhaft stabile Okklusion mit physiologischer vertikaler Stützung im Seitenzahnbereich überführt werden.
Funktionelle Re-Evaluation nach Schienentherapie
Etwa 3 bis 6 Monate nach Beginn der Schienentherapie erfolgt eine erneute Untersuchung der funktionellen Therapie. Dabei wird die Ausgangssituation mit dem aktuellen Zustand verglichen. Der Untersuchungsprozess umfasst:
• Anamnese und Symptomvergleich basierend auf einem Schmerzfragebogen
• Untersuchung des craniomandibulären Systems:
• Okklusionskontakte in therapeutischer Okklusion (mit Schiene)
• Palpation der Kaumuskulatur und Halsmuskulatur
• Überprüfung der Kiefergelenke durch Bewegungstests
Mögliche Folgebehandlungen
1. Kein Therapieerfolg nach Schienentherapie
Falls die Schienentherapie nicht erfolgreich war, sollte die Behandlung nach spätestens sechs Monaten abgebrochen werden. Ein Misserfolg liegt vor, wenn:
• die Ursache der CMD nicht in der Okklusion liegt
• psychologische Faktoren die Erkrankung dominieren
• eine primäre Gelenkerkrankung vorliegt, die durch die Schiene verschlimmert wird (z. B. notwendiger chirurgischer Eingriff)
2. Therapieerfolg, aber keine weitere Okklusionstherapie erforderlich
Falls die Schienentherapie erfolgreich war und keine weiteren okklusalen Maßnahmen erforderlich sind, kann die Schiene in manchen Fällen nur noch nachts getragen werden. Eine Verlängerung der Schiene zur Abdeckung der Schneidezähne ist notwendig, um Nebenwirkungen wie das Intrudieren der Seitenzähne zu vermeiden. Falls der Schmerz nach sechs Monaten erneut auftritt, sollte der Patient die Schiene wieder konsequent tragen und die Praxis zur weiteren Abklärung aufsuchen.
3. Weitere okklusale Therapie notwendig
Falls eine Stabilisierung der Okklusion erforderlich ist, stehen verschiedene Optionen zur Verfügung:
• Subtraktive Maßnahmen (z. B. selektives Einschleifen)
• Orthodontische Korrekturen zur Anpassung der Zahnstellung
• Prothetische Maßnahmen zur Veränderung der Zahnform oder Restauration von Zähnen
Die weitere Behandlung muss in der therapeutisch eingestellten Kondylenposition erfolgen, was besondere Erfahrung und Fachwissen erfordert. Die funktionelle Diagnostik und Modellanalyse nach der Re-Evaluation bildet die Grundlage für die Planung der weiteren okklusalen Behandlung.
Der orthodontische Behandlungsablauf
Die orthodontische Therapie mit festen Schienen wurde erstmals 1993 beschrieben. Die Behandlung beginnt mit einer therapeutischen Schiene, um eine physiologische Kiefergelenksposition herzustellen. Anschließend erfolgt die zweite Phase, in der die neue maxillomandibuläre Situation orthodontisch stabilisiert wird. Während dieser Phase werden Zähne bewegt und die Okklusion gefestigt, während der Patient weiterhin seine therapeutische Schiene trägt.
Eine besondere Methode zur Stabilisierung ist die Verwendung von Craniomandibulären Orthopädischen Positionierungsapparaturen (COPA), die mit Alignern kombiniert werden. Diese Technik wurde in mehreren Fallstudien dokumentiert und zeigt eine langfristige Stabilität der Zahnbewegungen, insbesondere bei der Korrektur der Spee-Kurve durch Extrusion der Seitenzähne.
Fallbeispiel 1: CMD-Patientin mit chronischen Schmerzen
Eine 24-jährige Patientin litt unter beidseitigen Kiefergelenksschmerzen, Knacken und ausstrahlenden Schmerzen bis in die Ohren sowie Nacken- und Rückenschmerzen. Nach einer erfolgreichen Schienentherapie war sie nahezu schmerzfrei, und die Langzeitmedikation mit Schmerzmitteln konnte beendet werden. Da sich die okklusale Kontaktverteilung über mehrere Wochen nicht veränderte, wurde die orthodontische Folgebehandlung mit Alignern durchgeführt. Die mandibuläre Position wurde exakt in die neue Behandlung überführt, um die schmerzfreie Stellung beizubehalten.
Fallbeispiel 2: 60-jähriger Patient mit CMD und Rückenschmerzen
Ein 60-jähriger Patient klagte über einseitige Kiefergelenksschmerzen und häufige Rückenschmerzen. Die klinische Untersuchung ergab eine erhebliche Reduktion des Gelenkspalts im posterioren Bereich des rechten Kiefergelenks. Nach erfolgreicher Schienentherapie wurde die vertikale Stützung der Seitenzähne mit Alignern wiederhergestellt, was zu einer vollständigen Schmerzfreiheit führte.
Fazit
Die Kombination aus Schienentherapie und Aligner-Orthodontie ermöglicht eine präzise und patientenfreundliche Behandlung von CMD. Die Überführung der therapeutisch eingestellten Kiefergelenksposition in eine stabile orthodontische Okklusion stellt eine nachhaltige Lösung dar. Orthodontische Maßnahmen mit Alignern eignen sich hervorragend zur Stabilisierung, da gezielte Zahnbewegungen ohne Beeinträchtigung der Kiefergelenksposition durchgeführt werden können.
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Quelle:
Schupp, W., Funke, J., Haubrich, J., & Boisserée, W. (2019). Follow-up treatment after initial splint therapy. Journal of Aligner Orthodontics, 3(2), 147–164.